Da Nachhaltigkeit heute zunehmend zu den Grundprinzipien der Architektur zählt, steigt die Nachfrage nach objektiven Mess- und Standardisierungsmethoden. Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen werden seit längerer Zeit angeboten.
Architekten und Investoren erhalten durch die zugrundeliegenden Bewertungssysteme eine Handhabe zur Planung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten.
In ökologischer Hinsicht werden die Auswirkungen der Bautätigkeit, der Nutzung des Gebäudes, der verwendeten Materialien und Ressourcen sowohl lokal als auch global bewertet. Unter dem Aspekt wirtschaftlicher Nachhaltigkeit werden die langfristigen Kosten und Nutzen von Arbeiten und Materialien sowohl während der Bauzeit als auch während der Nutzung des Gebäudes berücksichtigt. Der soziale Aspekt schließlich rückt die Endverbraucher als Individuen und als Gemeinschaft in den Fokus.
Um vergleichbare Standards für die praktische Umsetzung zu gewinnen, wurden in neuerer Zeit zahlreiche Zertifizierungssysteme entwickelt. Zu den erfolgreichsten gehören LEED und DGNB. Das weltweit anerkannte, in den USA entwickelte System „Leadership in Energy and Environmental Design“ (LEED), auch bekannt als „Green Building“-Zertifikat, existiert seit 1998. Das deutsche Zertifizierungssystem „Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen“ (DGNB) wurde 2008 aus der Taufe gehoben. Nicht zuletzt unter dem Einfluss von DGNB wurden wiederum ältere Systeme, darunter auch LEED, weiterentwickelt.
Alle bestehenden Bewertungssysteme spiegeln die Kultur ihres Entstehungslandes wider und orientieren sich an unterschiedlichen Traditionen, Regelwerken und Mentalitäten. Es stellt sich daher die Frage ihrer Vergleichbarkeit.
Um diese zu ermitteln, beauftragte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) das Ingenieurbüro Buro Happold, DGNB und LEED inhaltlich zu vergleichen sowie eine Musterauditierung nach beiden an einem bestimmten Referenzgebäude durchzuführen, dem Verwaltungsneubau des Hauptzollamts Rosenheim.
Beim qualitativen Ansatz von LEED bestimmt die erreichte Punktsumme den Grad der Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Die Punkte werden durch die Erfüllung vordefinierter Anforderungen, die sich auf bestimmte Umweltaspekte beziehen, erreicht.
Bei LEED gibt es vier Stufen der Gebäudebewertung:
Folgende Bewertungskategorien werden untersucht:
Bei DGNB gibt es ebenfalls vier Stufen der Gebäudebewertung:
Die Hauptkriterien von DGNB sind:
Im Gegensatz zu LEED, die beispielsweise auch die beim Bau verwendeten Materialien bewertet, bewertet DGNB das Gebäude selbst. Dafür berücksichtigt DGNB den kompletten Lebenszyklus des Gebäudes, LEED nur dessen Bauphase. Auch die Gewichtung der einzelnen Bewertungspunkte unterscheidet sich stark: Die ökologische Qualität umfasst bei LEED 65 % des Gesamtergebnisses, bei DGNB nur 22,5 %.
Beide Systeme werden permanent verfeinert und weiterentwickelt, da auch die Bauvorschriften einer ständigen Entwicklung unterliegen und immer neue gesetzliche Vorgaben erfüllt sein wollen.
Fazit: Ein direkter Vergleich beider Systeme ist nur sehr begrenzt möglich, da LEED und DGNB speziell auf Anforderungen, Vorschriften und Normen ihres jeweiligen Entstehungslandes zugeschnitten sind. Wird eine Zertifizierung angestrebt, sollte schon frühzeitig individuell ermittelt werden, welche sich für das Bauvorhaben eignet. Das anvisierte Zertifikat sollte außerdem bereits in der frühen Planungsphase integraler Bestandteil des Projekts sein. Beide Zertifizierungssysteme haben das gemeinsame Ziel, Lebens- und Nutzungsqualität bei größtmöglicher Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sicherzustellen.